Die ganze Gesellschaft ist ein einziger Porno geworden»
Der Berliner Rapper Sido mit seiner Maske: Der Musiker bekennt sich zu seiner Drogenvergangenheit, will aber kein Vorbild sein. Foto: dpa
Der umstrittene Berliner Rapper Sido kommt am 14. September mit seinem neuen Album in die Frankfurter «Batschkapp».
Und dieser Kerl soll jetzt Deutschlands gefährlichster Rapper sein? Ein Musiker, vor dem Eltern ihre Töchter warnen? Also bitte! Ohne seine abgelegte Markenzeichen-Maske sieht dieser Mann, der in Wirklichkeit Paul Würdig heißt, absolut harmlos aus, ja fast schon lieb. Rundes Jungengesicht, Brille, kurze Haare, weiche Züge. Alles in allem wirkt der 27-Jährige, der vor vier Jahren mit seiner launigen Nachbarschaftsnummer «Mein Block» bekannt wurde, trotz beeindruckender Tätowierungen eher wie ein Geisteswissenschaftler im Grundstudium. Steffen Rüth unterhielt sich mit Sido über dessen neues Album «Ich & meine Maske».
Sido, wie findet Ihre Mutter denn die neue Platte?
SIDO: Mama war der erste Mensch, der das neue Album gehört hat. Sie sagt, sie findet es sehr gut. Sehr erwachsen, hat sie mich gelobt.
Finden Sie «Ich & meine Maske» auch erwachsen?
SIDO: Es kombiniert die Stärken der ersten beiden Alben. Ich kann endlich gut rappen, habe diesmal aber nicht so viele schwere Themen drauf wie beim letzten Album «Ich». Sondern vor allem lustige Sachen.
Apropos lustig: An Ihrem «Arschficksong» scheiden sich die Geister. Die einen lachen sich tot über die Nummer, die anderen finden sie widerlich. Wie stehen Sie zu dem Stück mit drei Jahren Abstand?
SIDO: Ich finde den «Arschficksong» immer noch geil, und ich denke auch, dass die meisten den Witz verstanden haben, der in dem Song steckt.
Charlotte Roche, die mit ihrem Buch «Feuchtgebiete» ein ganz ähnliches Thema behandelt, wird dafür gefeiert. Sie mussten viel Kritik einstecken. Finden Sie das fair?
SIDO: Nein. Sie ist halt eine Frau. Frauen kommen mit solchen drastischen Themen offenbar besser durch. Naja. Im Grunde wurde ich für den «Arschficksong» auch gefeiert. Stefan Raab liebt den Song, er hat mich extra in seine Sendung eingeladen. Aber es ist halt so: Wenn ein Mann so etwas macht, dann gilt das automatisch als frauenfeindlich, zu hart, es riecht nach Vergewaltigung. Wenn es eine Frau macht, ist es modern und mutig. Frauen haben sowieso meistens den wacheren Kopf. Insgesamt sind die einfach cleverer als wir Kerle.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Ihre Musik würde die Jugend versauen?
SIDO: Was soll ich dazu sagen? Schwachsinn ist das. Die Jugend ist schon versaut. Ich rappe nur über das, was ich beobachte und erlebe. Alle wollen Sex. Die Kids werden immer jünger, wenn sie das erste Mal poppen, die ganze Gesellschaft ist ja irgendwie ein einziger Porno geworden. Meine Musik bildet diese Entwicklung ab.
Und fördert sie . . .
SIDO: Nein! Sido ruft nicht zum Sex auf. Sido ruft zur Liebe auf. Ich meine, ich schaue mir auch schon mal einen Porno an, aber eigentlich ist das doch langweilig. Sex mit Liebe ist viel geiler.
Sie singen in Ihrer neuen Single «Augen auf» unter anderem über Teeniemädchen, die total abrutschen. Was haben Sie sich bei der Nummer gedacht. Das ist ja fast schon Gesellschaftskritik . . .
SIDO: Ich erzähle in dem Song, was aus Jugendlichen wird, wenn sich niemand um sie kümmert. Der Refrain mit dem Kinderchor «Gropiuslerchen» ist eine Aufforderung an die Eltern, sich bitte mehr zu kümmern, damit die eigenen Kinder nicht kaputt gehen.
Hat sich Ihre Mama gut um Sie gekümmert?
SIDO: Mama war die Beste. Sie ist total erfahren und auch schlau. Ich höre wirklich auf das, was meine Mutter zu sagen hat, auch heute noch. Auch als erwachsener Mann vertraue ich ihr bedingungslos.
Hatte sie Angst um Sie, als Sie zu kiffen anfingen?
SIDO: Klar. Aber in dieser Frage wollte ich nicht auf sie hören. Sie hat sich dann aber schnell daran gewöhnt und sich damit arrangiert. Nur weil ich kiffe, bin ich ja kein Krimineller.
Nehmen Sie auch härtere Drogen?
SIDO: Früher habe ich gekokst. Als ich arm war, keine Perspektive hatte und ewig viel Langweile, da war das Kokain für mich da. Ich bin aber nicht stolz darauf, süchtig gewesen zu sein, das war insgesamt eine Scheißzeit. Die meisten nehmen ja Kokain, sobald sie zu Geld kommen. Oder weil sie dünn sein wollen, so wie Kate Moss. Ich habe Drogen genommen, um nicht an mein Leben denken zu müssen. Seit ein paar Jahren ist aber schon Schluss damit.
Ihr Sohn ist jetzt acht und wächst bei Ihrer Ex-Freundin auf. Haben Sie Angst, dass der Junge auch irgendwann Mist baut oder Drogen probiert, so wie Sie damals?
SIDO: Man kann das schlecht vergleichen, der Junge hat keine materiellen Nöte. Er wächst im Wohlstand auf und hat alles, was er braucht. Schlimmer als finanzielle Armut finde ich Gefühlsarmut. Wenn du deinem Kind alles bietest, aber trotzdem nicht da bist, dann verroht es trotz Geld. Dann wird es wie Ben Tewaag, der missratene Sohn von Uschi Glas. Dem Kind zuzuhören ist das Allerwichtigste.
Sind Sie stolz auf Ihre Proll-Herkunft?
SIDO: Ich werde in keiner anderen Umgebung akzeptiert. Ich wohne jetzt in einer besseren Gegend. Die älteren Herrschaften bei mir im Haus trauen mir nicht über den Weg. Ich bin für die ein Rowdy.
Und? Sind Sie ein Rowdy?
SIDO: Sehe ich so aus?
Nein.
SIDO: Ich bin ein netter Junge. Der freundlich zu den Menschen ist, sofern die Menschen freundlich zu ihm sind.
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